Köln 07.08.1898 von
Thomas Sävert
Umgebungskarte
(Auszug aus Top200, Bundesamt für Kartographie und Geodäsie)
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zur Verfügung gestellt von Hermann Rheindorf, Kölnprogramm

Aus der Illustrierten Welt (ILLUSTRIRTE WELT - DEUTSCHES FAMILIENBUCH - Blätter aus Natur und Leben, Wissenschaft und Kunst. 47. Jahrgang 1899. 680 Seiten. Verlag: Deutsche Verlags-Anstalt. Stuttgart - Leipzig. Text Seite 119, Bilder Seite 119) von 1899: "Der Wirbelsturm in der Umgegend von Köln am 7. August 1898: Größere Wetterschäden sind in Köln außerordentlich selten, da die Gewitter in der Regel am Vorgebirge im Westen oder an den Bergischen Höhen im Osten hängen bleiben und sich austoben, ohne das zwischen beiden Höhenzügen liegende 20 bis 25 Kilometer breite Rheintal zu überschreiten. Stadt und Vororte werden in der Regel nur von den Ausläufern der Gewitter gestreift, die einige Blitze und viel Regen bringen, dann aber verschwinden. Der letzte große Sturm war im Mai 1876 gewesen.

Als aber am 7. August bei schwülem Wetter nachmittags gegen drei Uhr der Himmel sich bedeckte und strichweise Regen fiel, achtete niemand darauf; die Sonntagsspaziergänge und Ausflüge nahmen ihren gewohnten Verlauf. Aber gegen fünf Uhr ballten sich hinter dem Vorgebirge im Westen die Wolken zusammen, und trotz des scharfen Nordwestwindes wurde der Kamm zwischen Königsdorf und Liblar nur langsam überschritten.Dunkle Wolken hingen wie Vorhänge zur Erde, zwischen denen hindurch feine, Spritzwellen ähnliche Wölkchen wild durcheinander jagten und jene eigentümliche gelbrote Färbung zeigten, die Hagel und Sturm kündet. Je mehr die Wolkenmasse dem Rhein sich näherte, desto mehr schienen die herabhängenden Wolkenbänder zu Windhosen sich zu entwickeln. Plötzlich war die linke Rheinseite in Staub gehüllt, der höher und höher stieg, immer mehr sich ausdehnte und, vom Nordwestwinde getrieben, in der Mitte zwischen Köln und Bonn über den Rhein setzte, beide Ufer verhüllend. Schwere Tropfen fielen, und gleichzeitig sauste ein Hagel nieder, dessen Stücke 40 bis 50 Millimeter Durchmesser hatten. Das Zeltdach eines Rheindampfers, der gerade von dem Hagelstreifen getroffen wurde, war im Augenblick wie ein Sieb durchlöchert. Dabei brachte der Wind nur einige heftige Stöße.

Viel schlimmer hauste ein zweiter Wirbel südöstlich von Köln in dem Fabrikvororte Bayenthal auf dem linken und dem gegenüberliegenden Fischerdorfe Poll auf dem rechten Rheinufer. Um fünf Uhr wurde im Nordwesten von Bayenthal ein grauer Wolkenstreifen, wie ein schmales Band zur Erde hängend, beobachtet, wie er rasch dem Orte sich näherte und dann als wirbelnde Luftsäule alles auf seinem Wege zerstörte. Der Durchmesser des Wirbels mag kaum 200 bis 250 Meter gewesen sein, aber die festesten Gebäude hielten ihm nicht stand. Wie die umgestürzten Bäume beweisen, drehte der Wirbel aus Nordwesten über Süden nach Osten, wobei starkes Aufsteigen in der Mitte stattgefunden haben muß.Stellenweise war die Wirkung explosionsartig: massive Wände wurden von den Häusern abgerissen und in die luftleere Mitte gedrückt, genau wie bei den berüchtigten amerikanischen Tornados; auch hier wie dort wurden kleine Strecken übersprungen. Die "Kölnische Maschinenfabrik" ist am schwersten getroffen: die Sandform- und Lehmgießerei mit dem Modellschuppen, die Hauptkesselstation mit den Betriebsmaschinen und den vier großen Kaminen sind vollständig zerstört, der fünfte, 25 Meter hohe Kamin geborsten, die Montierungswerkstätte abgedeckt, die Gasfabrik demoliert, ein Gasometer aus feinem Baffin gerissen, wie eine Papiertüte zusammengeknüllt und auf ein Nachbardach geworfen. Kein Dach, kein Gebäude der Fabrik ist unbeschädigt, die mächtige, 3 Meter hohe Einfriedungsmauer ringsum niedergeworfen und ein schöner Baumgarten in einen Verhau verwandelt, wie er als Hindernis gegen Reiterangriffe wirksamer nicht geschaffen werden kann. Die ausgedehnte Fabrik bildet ein wüstes Chaos, grausiger aussehend als das Steinthorviertel von Straßburg nach der Beschießung 1870! Im Orte ist der 7 Meter hohe Holzturm der Kirche heruntergestürzt. Bei vielen ganz neuen und äußerst fest gebauten Häusern, auch den beiden massiven städtischen Schulen, sind die Dächer abgehoben, 20 bis 30 Meter weit fortgetragen, die Giebelwände herausgedrückt, fast alle Fenster vom Hagel zerschlagen und so weiter. Der Schaden der Maschinenfabrik allein übersteigt 400 000 Mark.

In zwei bis drei Minuten war das Zerstörungswerk vollendet, der Wirbel stürmte über den Rhein nach Poll, das Wasser als Gischt emporwirbelnd, der wie Dampf über den hier 450 Meter breiten Strome lag und jede Fernsicht hinderte. Eine Gruppe niedriger Fischerhäuser nicht weit vom Rhein ward niedergeworfen, fast alle Häuser bis zur katholischen Kirche verloren den ganzen Dachstuhl oder doch den größten Teil der Ziegel; der Helm des Turmes wurde aus dem massiven Mauerviereck herausgedreht, in die Luft gehoben, hier mitten über dem Dache des Langschiffes auseinandergerissen und auf beide Schrägseiten geschleudert, die zwar durchschlagen wurden, aber doch die mächtigen Turmbalken auf den Kirchplatz abgleiten ließen, so daß die Kreuzgewölbe des gotischen Baues nicht beschädigt sind. Das Pastorhaus verlor seinen Giebel, aber der eigentliche Strich lag etwas nördlicher; die Häuser am Sandberge sind zu einem wüsten Trümmerhaufen zusammengedrückt oder vollständig auseinandergerissen; von dem großen Büngerschen Tanzsaale steht nur noch ein Teil der Rückwand. Von hier wurde ein Balken gegen ein 200 Meter entferntes Haus geschleudert. Am Ausgange des Dorfes vor dem kleinen Anwesen der Witwe Beyer stand eine mächtige Ulme; sie wurde vom Wirbel aus der Erde gerissen, über den Wurzeln abgedreht, auf das Haus geschleudert und verwandelte dies in einen Trümmerhaufen. Ein siebenjähriger Knabe wurde dabei von einer Mauer erschlagen - der einzige Todesfall bei der Katastrophe, die an Wochentagen allein in der Maschinenfabrik hunderte von Arbeitern unter den Trümmern begraben hätte.

Im Striche des Wirbels fiel wenig Hagel und Regen, desto mehr nördlich davon bis einschließlich der Vororte Rippes und Kalk, hier Stücke von mehr als 1000 Gramm. Der Hagel kam aus Westen, traf also die dorthin liegenden Fenster am schärfsten. Wieviel hunderttausend Scheiben zerschlagen sind, wird sich kaum feststellen lassen; 20 bis 50 Scheiben in mittleren Häusern ist Regel. Die Fenster an der Schauseite des Hauptbahnhofes sehen aus, als hätte ein Bataillon Infanterie sie beschossen, die Flora muß über 1000 Scheiben ersetzen, die buntverglasten, nicht wie die Glasgemälde durch Drahtgitter geschützten Kirchenfenster sind wie Siebe durchlöchert.

Der Gesamtschaden im Stadtkreise Köln, nur 111 Quadratkilometer, wird eine Million Mark übersteigen. Durch Versicherung ist so gut wie nichts gedeckt, da wirkliche Hagelschäden auf diesem Gebiete fast unbekannt sind. Jeder muß also seinen Schaden selbst tragen. Für viele kleine Leute würde das den wirtschaftlichen Untergang bedeuten, weshalb die Stadtverordneten unter dem Vorsitze des Oberbürgermeisters Becker sofort ein Komitee für die sammlung und sachgemäße Verteilung von Gaben gebildet haben.

Auch das Bergische Land im Nordosten von Köln ist hart mitgenommen, besonders Delbrück, Bergisch-Gladbach, Bensberg und Kalk. Die Bürgermeistereien Gladbach und Odenthal (südlich von Altenberg mit dem berühmten Bergischen Dome) sind jede um mehr als 100 000 Mark geschädigt, und gerade hier sind eine Menge von Kleinbauern getroffen, denen mit der Ernte und ihrem Häuschen fast alle Mittel zum Weiterleben genommen sind. Soweit Privatwohltätigkeit nicht ausreicht, werden Staat und provinz eintreten müssen. Köln selbst wird, wenn es irgend geht, weitere Kreise nicht in Anspruch nehmen und sich selbst helfen, zumal auch im Ruhr- und Lennethale, bei Hagen, Arnsberg, Paderborn, Aachen und so weiter, das Unwetter große Schäden angerichtet hat."

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Aus einer weiteren Quelle: "Tornado über Kölns Süden - 1898 Aug. 7: An diesem heißen Sonntag sehnen sich manche nach einem kühlenden Gewitter. Doch am Spätnachmittag wirbelt ein Sturm über den Kölner Süden, der in den Vororten Arnoldshöhe, Bayenthal, Raderthal und Poll verheerende Schäden anrichtet. Zwei Menschenleben sind zu beklagen, über 1000 Menschen verlieren ihr Hab und Gut oder werden obdachlos. In Poll hebt der Sturm die Turmspitze der Kirche ab und fegt sie durch die Decke in das Gotteshaus. Die Kölnische Maschinenbau-Anstalt in Bayenthal gleicht einem Trümmerhaufen." (Quelle: Peter Fuchs, Chronik zur Geschichte der Stadt Köln, Band 2: Von 1400 bis zur Gegenwart, Seite 163. Greven Verlag Köln, 1991)

Aus dem "Volksblatt für Bergisch Gladbach und Umgebung" vom 08. August 1898: "Ein entsetzliches Unwetter, welches gestern nachmittag kurz nach 5 Uhr über der hiesigen Gegend niederging, hat innerhalb 8 bis 10 Minuten Verwüstungen angerichtet, die geradezu jeder Beschreibung spotten. Wer kurz nach demselben aus dem Hause trat und die abgedeckten Dächer, die zerrissenen Bäume, besonders in den Zandersschen Anlagen, das vom Sturm in tausend Stücke zersplitterte große Schaufenster von 8 mm dickem Glas am Kölner Engros-Lager und andere Verwüstungen sah, der glaubte sicher, daß es schlimmer wohl nirgendwo aussehen könnte. Aber, leider Gottes, war dem nicht so. Schon kurz nachher erfuhren wir, daß es auf dem Hehborner Hof weit, weit schlimmer aussähe, und als wir uns dorthin begaben,, mußten wir sagen, daß wir solche Vwerwüstungen noch niemals gesehen. Von all den prachtvollen Bäumen, welche den Hehborner Hof umgaben, steht kein Stück mehr; der große Obstgarten ist total vernichtet, die Dächer der Scheunen vollständig abgedeckt. Das Wohnhaus und die Stallungen hat der Sturm nicht vollständig abzudecken vermocht, weil die umgewehten Bäume auf demselben lagen.
In Mutz deckte der Sturm dem Ackerer Pütz, dessen Frau im Wochenbette lag, das Haus vollständig ab und warf demselben beide Scheunen um. In einer Scheune, die fast vollständig mit Frucht gefüllt war, stand noch eine beladene Karre, die ebenfalls auf den Kopf zu stehen kam. Dem Ackerer Röver daselbst stürzte der Kuhstall ein, das Vieh unter demselben begrabend. Letzteres wurde mit Hilfe der Nachbarn bis auf eine Kuh noch ziemlich ohne Schaden unter den Trümmern herausgeholt. Die Obstgärten sind natürlich ebenfalls vernichtet. - Unersetzlichen Schaden hat auch Herr Krämer auf Kradenpohl durch den Sturm gehabt. Der große Baumhof desselben ist total vernichtet; die Gebäulichkeiten sehr beschädigt und ebenso in dessen Waldungen arge Verwüstungen angerichtet. Der nach 5 Uhr vom hiesigen Bahnhofe nach Mülheim fahrende Zug mußte am Kradepohl dreiviertel Stunde auf der Strecke liegen bleiben, bis die Geleise freigemacht waren. An der Wachendorffschen Papierfabrik und im Dukterath waren alle Häuser abgedeckt und ein Haus vollständig eingestürzt. Im Dellbrücker Wald sieht es entsetzlich aus. Die Telegraphen- und Telephonleitungen sind vollständig zerstört. Kurzum, keine Feder ist imstande , auch nur annähernd zu schildern, wie trostlos es stellenweise aussieht.
Paffrath, 7. Aug. Ein furchtbares Unwetter, verbunden mit einem schrecklichen Wirbelsturm, brach heute nachmittag gegen 5 Uhr über unseren Ort herein, denselben in der kurzen Zeit von etwa 10 Minuten fast gänzlich verwüstend. Die Häuser sind vielfach abgedeckt, die Dachstühle zerrissen, die stärksten Bäume massenhaft entwurzelt und zerschmettert und überall die Wege versperrend. Der Sturm verwüstete die Ortschaften Holz, Hehborner Hof, Mutz, Nußbaum, Flachsberg, Haus Blegge, Flora und Schneppruthe. Das Dach der Kirche und der Kirchturm sind schwer beschädigt, am Schulhause auf dem Flachsberg stürzte ein Kamin ein, das Dach teilweise mit herunterreißend, Dachziegel und Dachbekleidung an der Lehrerwohnung sind heruntergeschlagen. Am schlimmsten hat wohl das Unwetter auf Haus Blegge und Flora gewütet. Man ist kaum imstande, den Greuel der Verwüstung zu schildern, der dort Platz gegriffen. Zu Flora sind die Dächer sämtlich weggefegt, mehrere sogar mit den Dachstühlen. Zu Haus Blegge ist die herrschaftliche Wohnung schrecklich zugerichtet, das Dach ist zerstört, viele Fenster sind zertrümmert, einige ganz fortgeweht, von der Gärtnerwohnung und den Stallungen sieht man den ganzen Dachstuhl; die schönen Anlagen und die Obstgärten sind gänzlich vernichtet. Ein Diener und ein Dienstmädchen waren so schwer verletzt, daß sie ins Hospital gebracht wurden. - Die Kornhausten, welche noch auf dem Felde standen, sind gänzlich weggefegt."

Aus dem "Volksblatt für Bergisch Gladbach und Umgebung" vom 11. August 1898: "Bechen, 8. Aug. Das Unwetter am gestrigen Nachmittag hat auch hier unberechenbaren Schaden angerichtet. Unzählige Scheunen und Ställe wurden vom Sturm fortgerissen, Häuser abgedeckt, der im Felde aufstehende, abgemähte Roggen in alle Winde zerstreut und Obstbäume ohne Zahl, ja ganze Obstgärten vollständig vernichtet. Der Schaden am Kirchdache ist sehr erheblich. Das Gerüst am neuerbauten Kirchthurme, welches am Samstage noch zur Aufstellung des Turmkreuzes benutzt worden, wurde vollständig weggerissen und lag auf der Mülheimschen Weide. Auf Knappstockberg durchschlug eine schwere Linde im Sturze das Haus der Witwe Höller bis auf den Grund. Zu Tode erschrocken, stürzten die Bewohner aus dem Hause. Lange Jahre werden vergehen, ehe unsere so schon schwer um ihre Existenz kämpfenden Landwirte sich von diesem Schaden erholt haben, ein großer Teil davon wird leider ohne Hülfe dazu überhaupt nicht in der Lage sein." Die Zeitungsmeldung enthält noch ähnlich lautende Berichte über die Folgen des Unwetters in Merheim, Poll, Bonn und Wesel.

Aus dem "Bensberg-Gladbacher Anzeiger" vom 16. August 1898: "B.-Gladbach, 12. Aug. Der Schaden, welchen der Sturm am vorigen Sonntage hier verursacht hat, beziffert sich nach dem Ergebnisse der von einer Kommission vorgenommenen Abschätzung auf Mk. 236.500. Der Schaden trifft weit überwiegend kleinere Besitzer, Leute, die so viel haben, daß sie bestehen, aber einen solchen Schlag ohne fremde Hülfe nicht überwinden können. Der größte Verlust ist entstanden durch die Verwüstung der Obsthöfe. Es gibt Besitzer bezw. Pächter, denen an hundert Bäume verdorben sind, was um so trauriger ist, da die Obstzucht hier im Bergischen hoch entwickelt und vielfach der Hauptertragszweig des Landmannes ist. Es kommt häufig vor, daß ein Pächter mehr aus dem Ertrage seines Obsthofes erzielt, als er an Pacht zu zahlen hat, und mancher Besitzer kann sein Gütchen nur verpachten, weil eine Obstpflanzung damit verbunden ist. Die Bäume sind entweder abgebrochen oder abgedreht oder sie sind entwurzelt, d.h. sie sind umgefallen und das Wurzelwerk hat sich mit einer Seite mit dem es umgebenden Humus aus dem Boden gehoben, während es mit der anderen noch mit dem Erdreich verbunden ist. Diese Bäume - es sind wohl die meisten - sind noch zu retten, wenn die nötige Hülfe zur Stelle wäre und zwar bald. Hier kann aber nur geholfen werden durch ein großes Aufgebot von Arbeitskräften, welche die Bäume wieder in ihre frühere Lage bringen und befestigen. Die meisten würden dann wieder gedeihen. Der Landmann kann das aber allein nicht machen, schon weil er jetzt mitten in der Roggen- und Hafer-Ernte steht und sich die erforderlichen Arbeitskräfte selbst für Geld nicht beschaffen lassen. Hier wäre deshalb militärische Hülfe dringend erforderlich. Leider ist es den Bemühungen unseres Bürgermeisters nicht gelungen, solche von einer Abteilung Pioniere zu erhalten, die zu Beginn der Woche mehrere Tage hier eine Waldübung abhielt. Erfolgreicher war man in dieser Hinsicht in dem benachbarten Paffrath. Dort arbeiten schon die ganze Woche etwa 30 Infanteristen und bringen in der oben geschilderten Weise die entwurzelten Bäume des Parkes zu Haus Blegge wieder in Ordnung. Es kann nicht ausbleiben, daß ein gewisses Gefühl der Bitterkeit das Herz des Landmannes beschleicht, wenn er wahrnimmt, wie hier unter militärischer Hülfe ein Park in Ordnung gebracht wird, während er vergebens nach Hülfe sich sehnt, um seinen ihm zur Existenz nötigen Obsthof wiederherzustellen. Auch ein kleiner Beitrag zu der Frage, woher das Wachstum der Sozialdemokratie auf dem lande kommt." (Quelle: Universitäts- und Landesbibliothek Bonn)

Aus dem "Bensberg-Gladbacher Anzeiger" vom 16. August 1898: "Köln, 11. Aug. Die Kölnische Maschinenbau-Aktien-Gesellschaft hielt gestern eine Aufsichtsratssitzung ab, in der über den Umfang der durch den Orkan am 7. ds. verursachten Verwüstungen an den Fabrikgebäuden folgendes berichtet wurde: Auf dem Werke sind im wesentlichen die meisten Dächer abgedeckt, die Fenster zertrümmert, einige Werkstattswände eingedrückt, und vier Kamine der Betriebsdampfkessel umgeweht worden, während ein fünfter Kamin gebrochen ist. Die Betriebsdampfmaschine und Kesselanlagen der Maschinenbauwerkstätte wurde durch einen Kamin verschüttet und die zur Erzeugung des eigenen Bedarfs von Leuchtgas vorhandene Gasanstalt nahezu vernichtet. Es heißt daan weiter, daß der Betrieb der Gasfach-Werkstätte gestern teilweise wieder aufgenommen sei, desgleichen der Betrieb der Kleindreherei. Der Betrieb der Kesselschmiede, der Brückenbau- und Eisenkonstruktionswerkstätten, sowie der Gelbgießerei, Eisengießerei und der sonstigen Maschinenbauwerkstätten werde voraussichtlich in den nächsten Tagen wieder aufgenommen werden. Die Höhe des angerichteten Gesamtschadens lasse sich zur Zeit noch nicht genau feststellen, man glaube jedoch, daß, wenn die Börse am Montag den Schaden durch den Konkurssturz um nahezu 14 3/4 pSt. auf rund 430 000 Mark bewertete, diese Schätzung, soweit sich bis jetzt übersehen lasse, zu hoch gegriffen sein dürfte." (Quelle: Universitäts- und Landesbibliothek Bonn)

Aus dem "Bensberg-Gladbacher Anzeiger" vom 16. August 1898: "Aufruf! - Das Unwetter, welches gestern nachmittag über die hiesige Gegend niederging, hat in den im Dhünnthale gelegenen Ortschaften der Bürgermeistereien Cürten und Olpe die furchtbarsten Verwüstungen angerichtet. Häuser sind eingestürzt, Dächer abgedeckt, die Baumhöfe fast gänzlich vernichtet, Felder und Waldungen zum großen Teile verwüstet. Gebrochen stehen die schwer betroffenen kleinen Besitzer da, mit banger Sorge und Not in die Zukunft blickend. Die Unglücklichen sehen sich vielfach genötigt, ihren Viehstand, die einzige Erwerbsquelle, abzuschaffen, wenn nicht bald Hülfe von auswärts geschaffen wird. Selbst sind die Gemeinden arm und wenig leistungsfähig. In dieser Not steht uns nur eine Hülfe offen. Sie liegt in der Unterstützung unserer Mitmenschen, in der thatkräftigen Anteilnahme aller derer, die von dem vernichtenden Mißgeschick verschont geblieben sind. Es kommt besonders darauf an, den Unglücklichen die nötigen Mittel zu verschaffen, um ihre Scheunen wieder unter Dach zu bringen, die nahe vor der Ernte stehende Frucht vor dem Verderben zu schützen. Darum bitten wir alle Edeldenkenden von nah und fern: Helft den Unglücklichen! Nur durch schnelle Hülfe kann die Not in etwa gemildert werden.
Gaben zur Unterstützung der so schwer Betroffenen nehmen die Unterzeichneten und die Expedition dieser Zeitung gern entgegen. Cürten und Wipperfeld, den 8. August 1898.
Das Unterstützungs-Comite: Esser, Pfarrer, Cürten. Iveressen, Pfarrer, Bechen. Pollhammer, Pfarrer, Wipperfeld. Kalkbrenner Bürgermeister von Cürten. Dohr, Bürgermeister von Wipperfeld." (Quelle: Universitäts- und Landesbibliothek Bonn)

Aus dem "Bensberg-Gladbacher Anzeiger" vom 20. August 1898: "Bensberg, 18. Aug. Der vom Hülfskomitee für die Sturmgeschädigten der Bürgermeistereien B.-Gladbach, Odenthal und Merheim erlassene Aufruf hat noch wenig Erfolg gehabt. Bis jetzt sind auf dem Landratsamte zu Mülheim 544 Mark eingegangen, erst ein schwacher Anfang zur großen notwendigen Hilfe. Wer die Verwüstungen und das dadurch hervorgerufene Elend nicht mit eigenen Augen gesehen hat, der kann sich keinen Begriff davon machen, wie verzweiflungsvoll die vom Unglück Betroffenen der Zukunft entgegensehen. Der Schaden beträgt nahezu eine halbe Million. Die Mildthätigkeit wird sich also sehr rege entfalten müssen, soll auch nur die allergrößte Not gelindert werden. Der im zweiten Blatte unserer heutigen Nummer enthaltene, wiederholt veröffenbtlichte Aufruf sei deshalb unsern geehrten Lesern warm ans Herz gelegt. Wie Herr Bürgermeister Rausch bekannt gibt, nehmen in unserer Gemeinde die Herren Pfarrer und Gemeindeverordneten Beiträge entgegen. Auch die Expedition des Benberg-Gladbacher Anzeigers ist nur Empfangnahme von Gaben gerne bereit und wird über deren Eingang öffentlich quittieren." (Quelle: Universitäts- und Landesbibliothek Bonn)

Aus dem "Bensberg-Gladbacher Anzeiger" vom 20. August 1898: "Bensberg, 18. Aug. Eine Kirchenkollekte für Poll ist durch eine in der letzten Ausgabe des "Kirchlichen Anzeigers für die Erzdiözese Köln" veröffentlichte Verfügung angeordnet worden. Die Verfügung lautet: Das fürchterliche Naturereignis vom 7. August 1898 hat den Turmhelm der Pfarrkirche zu Poll abgehoben, ihn auf die Firsten des Hauptschiffes geworfen, wo er sich in zwei Teile spaltete, Haupt- und Nebendächer durchschlug und zentnerschwere Gesimssteine herunterschleuderte. Nach Schätzung des Baumeisters beträgt der Schaden 35-40 000 Mark. Da der ganze Ort auch mindestens einen Schaden von 300 000 Mark durch diesen Wirbelsturm erlitten, wobei auch durch Hauseinsturz ein Knabe erschlagen wurde, so ist er genötigt, um milde Gaben zu bitten. Poll ist eine Arbeitergemeinde von 2800 Seelen, hat eine Kirchensteuer von 45 pSt. und ist in Köln eingemeindet. [...]" (Quelle: Universitäts- und Landesbibliothek Bonn)


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